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Ich bin (heraus) gewachsen oder Warum die Fäkalsprache und ich getrennte Wege gehen

Mit Ende 20 fand ich Fäkalsprache/Vulgärsprache unfassbar witzig. Menschen/Dinge zu beleidigen, den ganzen Tag zu fluchen und einfach alles und jeden zu hassen war „mein Ding“. Mit Vorliebe vor nicht vertrautem Publikum oder in „virtueller Gesellschaft“. Zum Beispiel im Büro oder virtuell in den sozialen Medien. Mein Content, insbesondere in den Videos und den späteren Storys, bestand oft aus völlig überzogenem Gefluche und „Rumgebitche“. Begleitet von dem Applaus meiner „Folgschaft“, vor deren Wagen ich mich spannen ließ und so, in aller Öffentlichkeit, zum Idioten machte. Zu dieser Zeit war mir das allerdings gar nicht bewusst. Ich feierte mich und ließ mich feiern.

Fotze. Ich hasse Euch alle. Verfickte Scheißkacke. Je derber, desto „cooler“

Ich war unzufrieden mit meinem gesamten Leben und vor allem: mit mir selbst. Ich „hasste“ alle Menschen, zumindest gab ich vor, dies zu tun. Laut zu sein und zu rebellieren schien mir der einzige Weg zu sein, Anerkennung zu bekommen und meine eigentlichen Gefühle kurzfristig zu verdrängen. Ich hab jemanden dargestellt, der ich nicht war / bin und eigentlich auch nie sein wollte. In dieser Zeit jedoch war es mir nicht möglich, anders zu handeln oder meinen Sprachgebrauch zu reflektieren.

Mit jedem „Oh Gott, du bist so witzig“ fühlte ich mich noch mehr dazu berufen, möglichst asozial zu sein.

Die Menschen, die mich nur virtuell oder beruflich kannten, glaubten alle: „Das ist Sandra! Sandra flucht, schimpft und beleidigt alles und jeden. Sandra hasst alle Menschen. 24 Stunden, sieben Tage die Woche.“ Sie schenkten mir Tassen mit „Ich hasse Menschen“ und „Alles Fotzen außer Mutti“. Ich bekam Schimpfworte als Magneten, als Post its, als Briefpapier. Wenn ich irgendwo online war, wurde ich sogar mit „Hey, Fotze!“ begrüßt. Die Vulgärsprache und ich gehörten untrennbar zusammen. Heute, mit etwas Abstand, kann ich darüber nur den Kopf schütteln.

Immer häufiger „erwischte“ ich mich dabei, meine Eloquenz zu vermissen und mich selbst irgendwie peinlich zu finden.

Dennoch war ich nicht in der Lage, das sofort zu ändern – schließlich war ich immer noch unglücklich und unzufrieden. Erst Anfang 2018 kam der nötige Umschwung. Ich weiß noch, dass ich in der Küche stand, alle Schimpfwort-Magneten vom Kühlschrank riss und auf der Arbeit Penis-und Scheidenstempel, Schimpfworttassen und all die anderen Fäkalsprachen-Schreibwaren, die sich die letzten Jahre angesammelt hatten, weg räumte.

All dieser Kram widerte mich „plötzlich“ an.

Es entsprach mir nie und ich wollte nicht mehr, dass mich Fremde weiterhin damit identifizieren. Beinah über Nacht hörte ich auf, in Storys oder Postings übertrieben vulgär zu sein. Im Alltag war ich es ja ohnehin nie gewesen. Gerade zu Beginn wunderten sich viele meiner Follower, insbesondere auf meinem DieCheckerin.de Profil.

„Sag doch mal wieder Fotze oder so. Du bist voll langweilig geworden!“ 

Die Sandra-Show war ohne Fäkalsprache für viele nicht mehr interessant und ich wurde ihnen zu ernst/tiefsinnig. Auch ein Jahr später schreibt man mir hin und wieder noch, dass ich langweilig geworden bin. Langweilig zu sein, weil ich nicht genug fluche, ist für mich aber voll ok. Ich bin nicht mehr die vulgäre, asoziale Sandra, die andere virtuell durch ihren ungefilterten Gassen-Jargon unterhält und möchte das auch nie wieder sein.

Mein eigenes Buch* und die Workshops, die ich seit November 2017 regelmäßig bei Magdalena Salvato besuchte, brachten in vielen Lebensbereichen Klarheit und in letzter Konsequenz auch Zufriedenheit in mein Leben. Ich komme immer mehr bei mir an und lasse zu, die Sandra zu sein, die ich immer schon war. Wild andere zu beleidigen, schlecht zu machen oder mich über sie lustig zu machen, das entsprach mir eigentlich noch nie und jetzt habe ich auch nicht mehr das Gefühl, so sein zu müssen.

Ich find mich viel cooler und angenehmer, wenn ich Menschen inspiriere, statt sie zu vergraulen.

2018 habe ich zum ersten Mal bewusst gespürt, wie ich aus vielen Dingen herauswachse und Erwachsener werde. Durch die Arbeit an und in meiner Seele aber auch die Gemeinschaft mit anderen Frauen, ist mir so vieles bewusst(er) geworden. Ich kann immer klarer sehen, Türen öffnen und andere dafür schließen. Der Fokus liegt auf mir und nicht mehr so sehr auf Anderen und dem, was sie von mir erwarten oder was ich glaube, ihnen zeigen/geben zu müssen. Ich glaube, mir weht langsam der Duft der Freiheit um die Nase.

Kennt Ihr solche Situationen oder ein solches Verhalten auch von Euch? Dieses Rollenverhalten ist natürlich menschlich, aber ich find es manchmal schwer, das auch wirklich selbst zu reflektieren. Wie geht es Euch damit?

Falls Ihr Euch fragt, was der Bussard hier zu suchen hat: für mich steht er für Veränderung, Wachstum, Mut und eine Neuausrichtung. Das fand ich an dieser Stelle sehr passend.


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10 Antworten auf „Ich bin (heraus) gewachsen oder Warum die Fäkalsprache und ich getrennte Wege gehen“

Liebe Sandra

Das hört sich jetzt vielleicht blöd an. Aber ich habe , seit ich dein Instagram-Profil gesehen habe immer gewusst das dass nicht du bist sondern eine Rolle. Eine Maske die du Schützend vor Dir hälst. Ich finde es so toll das du den Weg zu dir gefunden hast.
Erschreckend ist das es tatsächlich immer noch Menschen gibt die der “ alten Sandra “ hinterher trauern. Warum ?? Naja das zu ergründen ist glaub ich zwecklos.
Ich wünsche dir für deinen weiteren Weg alles liebe. Ich sage nicht bleib so wie du bist sondern finde dich jeden Tag ein bisschen mehr und lasse Veränderungen zu ….. aber ich denke das weißt du schon selbst.

Alles liebe Alex

Hey,
danke für den schönen Text und lustigerweise hatte ich dieses Thema gestern in einer Klasse :p.
Es ist auf jeden richtig, sich eine solche Sprach abzugewöhnen bzw. nur dann zu verwenden, wenn man den Umkreis gut kennt.
Liebe Grüße an dich!

Liebe Sandra,
ich folge dir nun schon sehr lange und habe sowohl die Fluchphase, die folgende vorübergehende Stille und die -ich nenne es mal bedeutungsschwanger – Wiederauferstehung miterlebt. Klar, ich fand das auch lustig, wenn du so geredet hast – es war ja auch dein „Markenzeichen“. Dennoch war mir (und ich hoffe auch allen anderen) bewusst, dass dies lediglich eine Rolle ist. Und ich muss sagen: fand ich dich früher auch sehr lustig und unterhaltsam, so finde ich es jetzt alles viel ehrlicher und angenehmer. Es ist nicht langweilig, wie vielleicht manch kurzsichtiger Internet-Sensationstourist meint. Es ist erwachsen. Ehrlich. Intelligent. Und so gehaltvoll!
Und ich glaube, dass du genau damit auch die für dich richtige Klientel erreichst – und nicht irgendein schaulustiges Publikum. Danke dafür! 🙂

Selbst kenne ich das auch. Ich bin seit meiner Kindheit der Schusselkopf, der Stolpervogel, tollpatschig, klein (1,53m) und „süß mit großen Augen“. Die jüngste von vier Schwestern in einer Riesenfamilie. Ja, ich stolpere viel, ja ich bin klein und ja, manchmal sehr tollpatschig. Aber ich bin auch 26 Jahre alt, habe einen Master, einen Mann und zwei Kinder. Und dennoch: oft erfülle ich mein Stigma noch immer – wenn auch zumeist unfreiwillig.

Jule 🙂

Liebe Jule,

dein Kommentar ist wunderherrlich und ich stimme dem uneingeschränkt zu. Im „echten Leben“ hab ich auch mein Stigma, das geht dann aber in ne andere Richtung und ist mittlerweile auch in verschiedene Personenkreise aufgeteilt 😀 Also Familie 1 und Familie 2, alte Freunde, neue Freunde und so. Find es mega interessant, welche Rollen aber halt auch gewollte/ungewollte Stigmata man zugeteilt bekommt und selber einnimmt. Da könnt man glatt noch tausende Artikel zu schreibe. Ich liebe solche Themen!

? tatsächlich nimmt man verschiedene Persönlichkeiten an, abhängig davon, welchen Personenkreis man trifft. Die beste Freundin aus der Schulzeit wird eine andere Jule kennen, als meine Schwiegermutter, die mich wiederum anders kennt, als meine (ex-)Kollegen. Es ist wirklich hochinteressant.. eventuell bediene ich heute meinen eigenen Blog mal nach langer Zeit wieder ?
LG

Hi Sandra,

Ich finde es super, dass du diesen Schritt geschafft hast. Ich stelle mir das unglaublich schwierig vor. Gerade aus seinem sozialen Umfeld so auszubrechen und ein „anderer“ Mensch zu werden ist sicher unglaublich schwierig. Was sagen die anderen? Mögen die mich dann noch? Muss ich mir mit meiner neuen Art ein neues soziales Umfeld aufbauen? Und dies sind sicherlich nur einige Fragen die einem durch den Kopf gehen.

Man sagt ja es gibt in einem selbst vier Arten von Menschen: Den Mensch der man glaubt sein zu müssen. Den Menschen für den andere einen halten. Der Mensch der man gern wäre. Der Mensch der man ist. Ich finde es schön, dass du jetzt so sein kannst wie du tatsächlich bist.

Alles Gute und lg,
Thomas

Hallo liebe Sandra,
dieser Artikel berührt mich, wie dein ganzer Blog und deine Geschichte(n). Ich finde dich super mutig ein fach mal klare Kante zu zeigen. Zu sagen wie es sich wirklich verhält, ohne irgendetwas zu erhöhen oder aufzubauschen…Das finden viel Leute langweilig, das kann ich mir vorstellen. Ich selber habe beim lesen gemerkt das ich ähnliche Tendenzen habe, nicht so sehr in Richtung Fäkalsprache, eher so „anders“ oder „kontra“…immer mit dem Gedanken das ich besonders toll rüberkommen will…was oft misslingt/misslang. Es ist schöner einfach freundlich zu sein und gerne mal einen Moment überlegen was denn angebracht wäre. Wenn das Gegenüber das langweilig findet, ist es das Problem des Gegenübers.
Herzlichen Dank , schöne Weihnachten und ein gutes neues Jahr. Deine nicht verschwurbelten Inspirationen zu den Rauhnächten nehme ich gerne auf.Deswegen habe ich deine Seite(Blog) gefunden 🙂 Nicole

Liebe Nicole,

„deine nicht verschwurbelten Inspirationen“ zu lesen, das hat mich gefreut 😉 Und die Sache mit dem „kontra“ sein, um irgendwie besonders toll rüberzukommen / sich besonders zu fühlen, kenne ich auch von früher. Mittlerweile ist in meinem Leben so vieles so konträr zu dem, wie andere leben, dass ich mir manchmal wünsche, einfach nur normal zu sein und nicht mit meiner Art zu Leben aufzufallen 😆 Jetzt wo ich gerade darüber nachdenke ist der Wunsch danach, besonders zu sein und nicht in der Masse unterzugehen, sicher irgendwie auch ein Phänomen unserer Zeit. Zumindest glaube ich, dass sich solche Gefühle und Wünsche durch das „höher, schneller, weiter“ und die weit verbreitete Art der Darstellung und Inszenierung des Alltags in den sozialen Medien, intensivieren. Wie du schon sagst: Wer das „normal“ langweilig findet, darf das gerne. Es ist dann sein Problem.
Wünsche dir ebenso schöne Weihnachten und ein gutes neues Jahr und viel Freude in den Rauhnächten 🙂

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