Heute möchte ich mich einem Thema widmen, mit dem wir in unserem Leben viel verändern können. Ich habe darüber schon oft nachgedacht und sicher auch das ein oder andere Mal davon gehört, aber manche Themen bekommen erst einen Platz im Leben, wenn die Zeit reif dafür ist. Bei mir ist es offenbar so weit und deshalb möchte ich meine Gedanken dazu mit Euch teilen.
Mir ist in den letzten Jahren verstärkt aufgefallen, dass ich mich gestresst und nervös fühle, sobald ich einen Termin habe. Irgendwann habe ich angefangen mich zu fragen, woher dieses „Stress-Gefühl“ in solchen Momenten kommt, aber ich kam nicht dahinter. Bis zu dem Tag, an dem ich ganz bewusst auf meine Gedanken geachtet habe. Wann immer ich einen Termin hatte, gab es in meinem Kopf etwas, das sich wie eine Blockade anfühlt.
Ich war unfähig, etwas anderes zu tun, als darauf zu warten (oder daran zu denken), dass ich noch einen wichtigen Termin habe und dabei unentwegt zu denken: „Du musst noch das machen und du musst noch das machen und dann musst du auch noch das machen und dann musst du auch noch da und da hin.“ Die Gedanken, insbesondere das „ich muss“, haben zu einer inneren Abwehrhaltung geführt. Ich wurde sofort müde, häufig sehr nervös und hab manchmal sogar leichtes Herzrasen bekommen. Außer auf den „Muss-Termin“ (den ich ja selbst gemacht hatte) konnte ich mich auf Nichts konzentrieren und wollte im Vorfeld meist auch nichts anderes mehr tun, außer auf den Termin zu warten.
Innerlich habe ich mich mit all dem „Muss“ so gestresst, dass ich nicht mehr in der Lage war, zu handeln bzw. Aufgaben, die vor dem Termin zu erledigen sind, auch wirklich gewissenhaft zu erledigen. Meist habe ich die Zeit dann damit verbracht, am PC/Smartphone rum zu gammeln, bis es Zeit war, sich für den Termin fertig zu machen.
Erst mit der Zeit ist mir klar geworden, dass ich bei nahezu allem, das ich vorwiegend für Andere tue (weil ich glaube, dass sich das so gehört/es so von mir erwartet wird und/oder ich Angst vor Ablehnung habe, wenn ich es nicht mache) , davon ausgehe, dass ich es tun MUSS. Und erst viel später ist mir bewusst geworden, dass das alles absoluter Quatsch ist.
Kein Mensch muß müssen! Man ist niemandem in der Welt etwas schuldig, als sich selber.
Gotthold Ephraim Lessing
„Ich kann leider nicht in den Urlaub fahren, ich muss arbeiten und verdiene auch viel zu wenig“. „Ich muss fünf Jobs gleichzeitig machen und hab deshalb leider keine Zeit mehr.“ „Ich muss morgens immer früh aufstehen, wegen meiner Kinder.“ „So ätzend. Ich muss noch Essen kochen und sauber machen“ „Ich muss noch zum Arzt.“ und so weiter und so fort.
Das „muss“ entsteht aus unseren selbst auferlegten Gedanken und Überzeugungen. Alles was wir in unserem Leben tun, geschieht freiwillig und aus eigener Entscheidung heraus. (Von Leben & Tod & Verbrechen abgesehen). Alles, also auch die Dinge, die uns unangenehm, sind.
Es fällt uns leichter, in eine Art Opferhaltung zu schlüpfen und in gewohnten Bahnen zu bleiben. Aber halten wir mal kurz inne und machen uns eine Sache ganz klar: wir müssen das nicht, sondern wählen aktiv. Wir möchten arbeiten. Wir möchten uns einen bestimmten Lebensstandard ermöglichen. Wir möchten die Kinder zur Schule bringen, Essen kochen und eine saubere Wohnung haben. Wir möchten für unsere Gesundheit sorgen und einen vollen Kühlschrank haben. Wenn wir es nicht wollen, können wir sofort aufhören.
Dieses ewige „Muss-Gefühl“ hat mich irre unter Druck gesetzt. Als mir das bewusst wurde und ich mich dazu entschied, nicht mehr so oft „Ich muss“ sagen zu wollen und statt dessen ein „Ich möchte“ zu wählen, ist mir in manchen Bereichen schlagartig klar geworden, welche Möglichkeiten ich habe und was ich WIRKLICH will. Deshalb habe ich z.B. auch den Schritt gewagt, meinen Job im Büro zu kündigen und mich nicht mehr von meinem Chef wie ein Arsch behandeln zu lassen. Ein „Ich muss mir das hier nicht länger gefallen lassen“ führte letzten Endes zur „Eskalation“. Klar ist natürlich, dass auch Euer Umfeld spürt, wenn Ihr „plötzlich“ nicht mehr die „Du musst aber“-Spielchen mitspielt.
Sich das „Muss“ gänzlich abzugewöhnen ist aus meiner Sicht nicht erstrebenswert. Generell ist Perfektionismus nicht erstrebenswert, das möchte ich an dieser Stelle nochmal erwähnen, weil häufig geglaubt wird, ich (oder man selbst) würde einem „Perfektionswahn“ unterliegen. Davon bin ich genauso weit entfernt, wie von meinem angeblichen Idealgewicht oder nem 6er im Lotto 😉
Aktiv darauf zu achten, was man sagt und sich darüber bewusst zu werden, das ist es, was zählt. Bewusstsein. Sich und der Sache bewusst sein. Ich versuch das seit ca. drei Monaten und ertappe mich weiterhin beinah täglich, wie ich fest überzeugt davon bin, etwas tun zu müssen, obwohl ich mich selbst dazu entschieden habe. Naja und ab und zu erwische ich mich ganz vielleicht auch dabei, wie es mir einfach gut tut, kurz im „OhGottohGottOhGott, ich muss noch das und das und das und das“ – Selbstmitleid zu versinken.
Insgesamt fällt es mir, dadurch dass ich für mich selbst Bewusstsein schaffe, aber leichter auf ein „Muss“ zu verzichten bzw. meinen Blick darauf zu verändern. Erst Freitag stand ich in der Küche und dachte „Oah ne ey, jetzt musst Du noch 2 Kilo Kartoffeln schälen und 1 Kilo Äpfel und die Nudeln kochen und Zwiebeln klein hacken und saure Gurken und und und und…“ bis mir auffiel, dass ich doch diejenige war, die das vorschlug. Danach war alles irgendwie easy. Versucht Ihr das doch auch mal! 🙂
3 Antworten auf „Ich muss gar nichts – Ich möchte!“
… Wir sind uns so ähnlich, das ist fabelhaft! Ich kann bei dir nachlesen, wie ich meine „Probleme“ löse ? Toll! Mich stressen fixe Termine usw auch total. Manchmal ärgere ich mich den ganzen Tag über einen Termin am Samstag, weil ich dann irgendwie gar nicht in der Lage bin ganz frei und kreativ in mich reinzufühlen auf was ich Lust hab… Dabei ist den restlichen Tag immer noch Wochenende… Und im Büro ist das natürlich noch viel eher so… ? Werde da auf jeden Fall drauf achten!
Wundervoll geschrieben. Deine Worte sprechen mir aus der Seele. Es ist so wichtig, öfter innezuhalten, nach innen zu schauen und sich bewusst zu machen, was man wirklich möchte – und sich dann bewusst für diesen Weg zu entscheiden. Liebe Grüße von Alexandra
Hey Alexandra,
danke für dein Kompliment!