Risiken und Nebenwirkungen von Meditation und anderen Achtsamkeitsübungen

Achtsamkeit ist kein Allheilmittel

Keine Frage, Achtsamkeitsübungen (auch in Form von Meditation oder Yoga) und das Auseinandersetzen mit dem eigenen Körper und unserer Seele können sich positiv auf unser Gemüt auswirken. Das bestätigen nicht nur abertausende Menschen, die seit Jahren effektiv damit arbeiten und viele ihrer Probleme auf diese Art und Weise lösen, sondern auch zahlreiche Ergebnisse medizinischer und wissenschaftlicher Untersuchungen.

Aber alles im Leben hat Licht und Schattenseiten. Was für den einen gut ist, kann für den nächsten schon wieder schlecht sein.

Auf die Risiken in diesen Bereichen wird (meiner Meinung nach) immer noch viel zu selten aufmerksam gemacht. Achtsamkeitsübungen, Meditationen, Yoga & Co. sind kein Allheilmittel und nicht für jeden gleichermaßen geeignet. Gerade für Menschen mit tiefgreifenden, psychischen Erkrankungen (z.B. Borderline, Depressionen, Angstpatient*Innen, Traumapatient*Innen u.a.), aber auch für Schmerzpatient*Innen und Suchtkranke sind Achtsamkeitsübungen nur bedingt zu empfehlen.

Im Folgenden gehe ich näher auf mögliche Risiken und Nebenwirkungen durch Achtsamkeitsübungen ein.


Gefahren der Selbsttherapie

Grundsätzlich sollte klar sein, dass man sich bei allem, was über ein Weh-Wehchen hinaus geht, nicht selbst therapieren sollte. Ich bin selbst ein Mensch, der sehr schlechte Erfahrungen mit Ärzt*Innen gemacht hat, aber man sollte hier dennoch nicht alle über einen Kamm scheren.  Bei ernsthaften Erkrankungen ist das Urteil und die Betreuung einer Fachperson unverzichtbar.

Es gibt neben klassischen Allgemeinmediziner *Innen auch viele weitere vertrauensvolle Personen mit Fachwissen, die man um Hilfe bitten kann. Es spricht absolut nichts dagegen, sich selbst etwas Gutes zu tun und ggf. auch Therapien zusätzlich mit eigenen Mitteln zu begleiten. Gerade mit Vorerkrankungen (psychisch wie physisch) sollte dies aber immer in Rücksprache mit den Behandler*innen erfolgen.


Risiken und Nebenwirkungen Meditation / Achtsamkeitsübungen

Der Blick auf sich selbst und tief in unser Inneres, das so intensive Beschäftigen mit all dem, was uns ausmacht kann problematisch werden. Insbesondere z.B. bei Depressionen, Ängsten, Sucht- und Zwangsverhalten oder Psychosen, kann sich die Wahrnehmung der Krankheitssymptome massiv verstärken und in Extremfällen sogar Angstzustände/Panikattacken oder z.B. suizidale Gedanken hervorrufen.

Negative Gedankenspirale

Wer sich über eine längere Zeit antriebslos fühlt, kein Interesse mehr an dem Geschehen draußen hat, mit Minderwertigkeitskomplexen kämpft, sich müde, abgeschlagen und traurig fühlt, der kann unter einer Depression leiden.

Hier, aber auch bei Angstzuständen und suizidalen Gedanken, insbesondere in Akutsituationen oder wenn sie bisher nicht oder nicht ausreichend behandelt wurden, kann ein Hyperfokus entstehen oder vorhanden sein, der sich fast ausschließlich auf die negativen Aspekte bezieht.

Positive Erlebnisse, Gedanken und Gefühle können so kaum bis gar nicht wahrgenommen werden und genau hier lauert eine der größten Gefahren. Denn in Achtsamkeitsübungen wird der Fokus häufig auf die Wahrnehmung von körperlichen Befindlichkeiten, Gedanken und Gefühlen gelenkt. Zwar wird hier die wertfreie Wahrnehmung betont, dies ist für Betroffene jedoch häufig nicht möglich. 

So besteht die Gefahr, dass Betroffene ihre belastende Situation, durch die Konzentration auf eben diese negativen Gefühle, als ausweglos empfinden und eine Abwärtsspirale ausgelöst wird, die im schlimmsten Fall zum Suizid führen kann. Aber auch Panikattacken und Angstzustände können so ungewollt getriggert werden.

Ähnlich kann es sich bei Suchtkranken darstellen, die durch den Hyperfokus möglicherweise unnötig mit Suchtgedanken konfrontiert werden oder bei denen andere Probleme auftreten.

Auswirkungen auf die Gesundheit

Außer Acht lassen sollte man zudem auch nicht die Risiken, die mit körperlichen Erkrankungen einhergehen können. Atemübungen klingen beispielsweise verlockend einfach, können aber (neben Angstattacken) bei Patient*Innen mit entsprechenden Vorerkrankungen der Atemwege, die Symptome verstärken oder gar verschlechtern. Nicht zuletzt, wenn falsch geatmet wird.

Durch den Fokus auf die Wahrnehmungen können sich zudem Schmerzempfindungen verstärken und in Ausnahmesituationen zu Verzweiflung und Überforderung führen.

Auch wenn Achtsamkeitsübungen in all den oben genannten Fällen positive und hilfreiche Auswirkungen haben können, sollten Betroffene im Vorfeld in jedem Fall Rücksprache mit einer Person mit Fachwissen halten, um sich selbst nicht unnötig in Gefahr zu bringen.

Stress & Druck

In manchen Kreisen der „spirituellen Szene“ gibt es die Angewohnheit, dazu aufzurufen, nicht die Ursachen für Probleme in Frage zu stellen, sondern die „innere Haltung“ der Betroffenen. Man selbst wird das Problem und die Lösung zugleich. Wir müssen nur genug „hinfühlen“, uns in Achtsamkeit und eiserner Selbstdisziplin üben, dann wird alles gut.

Bei wem es nicht gut wird, der war eben nicht eisern genug. Krankheiten wie Depressionen und Angststörungen werden in dieser Szene zu „simplen“ Charakterzügen reduziert, die man sich durch ein wenig Achtsamkeit abtrainieren kann.

Fernab der Tatsache, dass solche Ansichten und Aussagen höchst bedenklich sind, können sie auch schädlich sein, enormen Stress verursachen und Druck aufbauen. 

Achtsamkeitsübungen, Meditationen & Yoga werden nicht selten als der einzig wahre Weg dargestellt. Wer nicht achtsam ist, seinen Morgen mit einem Sonnengruß beginnt, von morgens bis abends „healthy“ isst und mindestens eine Stunde am Tag meditiert, fühlt sich, in Anbetracht all der „Erleuchteten“, schnell mal wertlos. Die Gefahr besteht zumindest, gerade wenn man Probleme mit dem eigenen Selbstwert hat.

Der Druck, der nicht zuletzt auch über soziale Medien aufgebaut wird, ist enorm und die Folgen sollten nicht unterschätzt werden.


Meine negativen Erfahrungen

Ich habe selbst mehrfach erlebt, wie sich verschiedene Übungen, unverhofft und aus dem Nichts, negativ auf meinen Zustand ausgewirkt haben. 

Meine generalisierte Angststörung hat sich zeitweise durch abendliche Phantasiereisen in vermeintlich entspannten Situationen massiv verschlechtert und zu nächtlichen Panikattacken geführt. Gerade wenn man (wie ich), durch eine Notsituation, während einer Ruhephase im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Schlaf gerissen wurde (als mein Vater starb), können Phantasiereisen triggern.

Darüber hinaus habe ich die Erfahrung gemacht, dass Atemübungen mein chronisches Hyperventilationssyndrom, sowie meine Angststörung triggern können. Es gab Zeiten, in denen ich keine Atemübungen durchführen konnte, weil sie mich sofort in eine Spirale der Angst versetzten.

Gleichzeitig haben die Atemübungen mir aber auch geholfen, meine Angst besser in den Griff zu kriegen. Es ist also immer auch eine Frage, in welcher Phase des Lebens man sich gerade befindet und welche Übung man durchführt.

Und selbst beim Yoga habe ich die Erfahrung gemacht, wie (insbesondere falsch angeleitete oder durchgeführte) Yogaübungen meine Beschwerden verschlechtert haben.


Ich hoffe meine Ausführungen konnten dein Bewusstsein schärfen und dir bei einer möglichen Entscheidungsfindung helfen!