Achtsamkeit nervt!

Achtsamkeit ist in den letzten Jahren zu einem Trendthema geworden. Das liegt einerseits an dem immer größer werdenden Wunsch vieler Menschen, im hektischen Alltag zur Ruhe zu kommen und abzuschalten (wortwörtlich auch bezogen auf das Smartphone) und andererseits auch daran, dass sich Achtsamkeit gut verkaufen lässt. „Meditiere 3 x täglich und dein Leben wird sich verändern!“ Bla. Bla. Bla.

Ja, wir sind immer erreichbar, mit den Gedanken schon 30 Schritte weiter, leben wenig im Hier und Jetzt, sind ständig „on“. All die Möglichkeiten, die uns mittlerweile offen stehen, überfordern uns häufig.

Viele fühlen sich gestresster denn je. Nicht zuletzt, da mit den steigenden Möglichkeiten auch die Anforderungen und Erwartungen an uns steigen. Krankheiten wie Burn Out oder Depressionen schnellen in die Höhe. Natürlich auch, weil generell mehr Platz und Bewusstsein innerhalb unserer Gesellschaft dafür herrscht, aber auch weil unser Alltag den perfekten Nährboden bietet.

Der Hype in Deutschland ebbt noch lange nicht ab und wie mit jedem Thema werden auch bei diesem entsprechende Kritiker laut, die von Achtsamkeit nichts hören wollen. Sie alle (hier oder hier oder hier aber auch hier) stören sich eigentlich nicht an dem, was Achtsamkeit ursprünglich meint und macht, sondern an dem Hype und dem Schwurbel.

Ich verstehe das und teile diese Abneigung. Es reicht schon, bei Instagram einfach mal nach #Achtsamkeit  zu suchen. Man findet drölfzig schnöselige Selfies mit Lotussitz, unendlich viele, schlaue Sprüche und ein paar Landschaftsfotos. Sich bei der eigenen Achtsamkeitspraxis mit dem Handy zu fotografieren, ist ungefähr genauso am Thema vorbei, wie in einer klassischen Metzgerei nach Tofu zu fragen.

Einigen geht Achtsamkeit total auf den Keks. Und ich kann es total nachvollziehen. Wirklich! Die Omnipräsenz, insbesondere in den sozialen Netzwerken und der damit einhergehende Selbstoptimierungswahn ist furchtbar nervig. Überall sieht man Menschen auf ihren Yogamatten, durch Wald und Wiesen springend, in Lotus Haltung meditierend und IMMER in sich ruhend, gut drauf, spirituell erleuchtet.

Viel zu oft lautet die Botschaft:

Achtsamkeit ist die Lösung für all deine Probleme. Bist du nicht achtsam, bist du schlecht. Und überhaupt kann man ohne all das nicht leben.

Das ist totaler Bullshit und darum geht es hier nicht!

Was Achtsamkeit für mich bedeutet

Für mich bedeutet Achtsamkeit bewusst und immer öfter den Moment zu leben. Nicht tausend Dinge gleichzeitig zu machen, sondern eins nach dem anderen.

Für mich bedeutet Achtsamkeit mir bewusst Zeit zu nehmen. Für mich! Und damit auch für all das, was mir gut tut. Meine Familie, meine Freunde, meine Hobbys.

Für mich bedeutet Achtsamkeit mir klar darüber zu werden, was ich will. Meine Grenzen zu achten. Nicht mehr nur für andere leben, sondern für mich. Meine Bedürfnisse achten. Den Job ausüben, den ich liebe. Mich mit den Menschen umgeben, die mir gut tun. Die Dinge zu machen, die ich mag und die mir entsprechen. Das zu sagen, was ich denke. Den Weg zu gehen, der mir entspricht. Unabhängig davon, was andere erwarten.

Für mich bedeutet Achtsamkeit Offenheit. Offen sein, für neue Erfahrungen und Wege. Aber auch ein offenes Ohr, ein offenes Herz, offene Augen und offene Arme zu haben.

Für mich bedeutet Achtsamkeit aktiv einen Ausweg aus alten Mustern zu schaffen. Nicht mehr jeden Tag der Dinge harren, die da kommen, sondern aktiv zu werden, wenn es sich für mich gut anfühlt.

Für mich bedeutet Achtsamkeit Achtung. Mich zu achten, mein Leben, meine Gefühle, meine Seele, meinen Körper und auch meine Mitmenschen, die Umwelt und Natur im Gesamten.

Was Achtsamkeit für mich nicht bedeutet

Auf keinen Fall bedeutet Achtsamkeit für mich irgendeine Art von MUSS. Es bedeutet nicht, irgendeinem billigen Trend hinterher zu laufen oder Angst wegmeditieren zu können. Es bedeutet nicht Licht und Liebe, Manifestation und „Higher Self“.

Es bedeutet nicht, allen zu zeigen, wie toll man in sich ruht. Es bedeutet nicht, jeden Tag drei Stunden meditieren, fünf Stunden Yoga üben und ne Stunde still im Wald sitzen.

Es bedeutet nicht, ständig glücklich zu sein und plötzlich keine Probleme, Sorgen und Ängste mehr zu haben. Es bedeutet nicht, teure Workshops, Coachings, Meditationen und Tools zu (ver)kaufen. Es bedeutet nicht, an Gott, das Universum, Naturgeister, Karma, Wiedergeburt o.ä. zu glauben oder erleuchtet zu sein.

Es bedeutet nicht, ein perfekter Mensch zu sein, oder werden zu wollen. Und ganz sicher bedeutet Achtsamkeit für mich auch nicht, dass man ständig von all dem, was man macht, Fotos ins Internet stellt.


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